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Vom ewigen Leben



Ich singe das Lied des Lebens,
wie Tausende vor mir
und Tausende nach mir.
Es ist eine Lüge zu sagen:
Leben ist Fluch,
den Tag zu verleumden
um seiner Nacht willen.
Wenn du einmal
aufgehoben wurdest
bis zum Gipfel der Liebe,
dann weißt du,
dass dort die Welt geheiligt liegt,
dass du dorther das große Ja
riefst, vergessend des geistigen Hochmuts,
dankbar wie das Tier,
wie die Pflanze,
lebend, liebend,
aufrecht, wie der Stamm,
der am Felsenhang noch,
ein Pfeiler, zum Lichte wächst.
Und sollt' ich es je,
zermürbt,
zerbrochen,
verfluchen, -
es war' eine Lüge.
Denn über allem Gram und Grauen
waltet unirrbar
ewiges Wachstum,
legionenweltig
auf jedem Geviertschuh
der aber und aber Legionen Welten.
Ich singe das Lied des Lebens
mit dem Vogel zu meinen Häupten,
und der Blume zu meinen Füßen
und dem Baum und dem Bach
und den Wolken und wehenden Winden, -
und es ist nicht mehr
als das Zirpen einer Grille, -
aber wir sollten es alle singen,
Millionen Menschen, Brüder und Schwestern,
an jedem Morgen,
dem Lichte zugewandt,
mit einer Seele,
unirrbar,
wie die Tanne,
die noch am Felsenhang,
kerzengerad,
zum Himmel emporwächst.

Christian Morgenstern
Nur wer den Menschen liebt, wird ihn verstehen.
Wer ihn verachtet, wird ihn nicht einmal sehen.
Christian Morgenstern

Von der Demut vor dem Charisma
(Autorin: Gitta Peyn)

Wir alle werden mit besonderen Gaben, herausragenden Fähigkeiten geboren. Gaben und Fähigkeiten, die so und in dieser Kombination einzig uns eigen sind, niemand anderem.

Wir erwerben sie uns nicht, wir müssen nichts dafür leisten, dass wir sie haben, es liegt keine Anstrengung in ihnen, keine Qual hat uns zu ihnen geführt, sie sind voller Gnade. Sie schenken uns Freude, einen Platz in dieser Welt, wenn wir den Mut haben, ihn für uns zu fordern. Sie machen uns ruhig und vertraut mit uns selbst, sie erfüllen uns, und wenn wir sie erkannt haben und wertzuschätzen gelernt, dann machen sie uns auch zu einem Menschen, der Auge, Gnade, Gemüt und Sinn auf seinen Nächsten auszurichten vermag.

Und weil das so ist, weil wir sehen können, dass sie einfach mitgegeben wurden, können wir erkennen, dass sie in allerhöchstem Maße transzendent sind, dass sie nicht von dieser Welt sind, dass sie uns von Gott mitgegeben wurden. Sie sind ein Geschenk unserer göttlichen Seele an unser Leben und an unsere Welt. Sie gehören uns nicht, und doch machen sie den Kern unseres Seins aus, unseres Wesens, und alles Unglück rührt nur daher, dass wir diesen Kern nicht sehen können, weil diese Welt aufs Besitzen ausgerichtet ist.

Man hat sich selbst, man hat Dinge, man hat sogar einen Lebenspartner und Kinder. Doch nichts auf dieser Welt ist von Dauer, außer unserem Charisma, denn es ist das einzige, was nicht von dieser Welt gekommen ist. Das Charisma ist die Struktur unseres Seins, es ist das Nest, in dem sich unsere Seele ausrichtet. Es kommt von woanders her, und deshalb bleibt es.

Zu erkennen, dass Charisma nicht von dieser Welt ist, dass es von Gott gegeben wurde, zu erkennen, dass es uns nicht gehört: Ist das nicht ein erstaunlicher Gedanke? Und passt er nicht zu vielen anderen, die uns kommen, wenn wir versuchen, uns ein Stückchen Wahrheit einzufangen?

So, wie dieser hier, dass es der Erleuchtung keineswegs egal ist, wie sie erlangt wird, denn sie kann auf Unrecht nur entstehen, wenn es getilgt wird, doch wenn sie erlangt wurde, ist es ihr egal, dass sie erlangt wurde, und das ist essenziell und direkt verbunden mit dem Gedanken, dass uns Charisma nicht gehört. Unser Wesenskern und unsere erleuchtenden Erkenntnisse gehören zusammen. Die Erleuchtung ist nichts anderes, als zu erkennen, was der Fall ist und was es braucht, um zu sehen, was der Fall ist, und das ist Mitgefühl, Empathie. Und Mitgefühl und Empathie sind nur erreichbar, wenn wir Respekt hegen können vor uns selbst, doch was ist Respekt? Ist nicht Respekt zunächst und vor allem erst einmal das Gefühl vor etwas, was selten und würdevoll ist? Muss nicht Respekt stets verbunden sein mit Demut, sonst verheiratet er sich mit Neid?

Und wenn wir ihn erlangt haben, diesen Respekt vor uns selbst und diese Demut vor unserem Charisma, dann haben wir erkannt, dass wir, unser gesamtes einzigartiges Ich voller Wert sind und dass dies für jeden einzelnen Menschen gilt und dass jeder einzelne Mensch in seinem Wesenskern von göttlicher Natur ist, göttlichen Ursprungs, in die Welt hineingeschenkt, nicht von dieser Welt.

„Namasté“ sagen die Inder: „Ich grüße den Gott in dir!“ sagen sie.

Wir haben ein Recht darauf, stolz zu sein auf die Einzigartigkeit unseres Seins und darauf, was wir mit unserem Charisma in dieser Welt tun. Wir erkennen, dass wir unser Charisma tun, dass es uns leicht fällt, und weil es uns leicht fällt, kann der Stolz auf uns selbst kein Besitzstolz sein, sondern es muss ein Stolz sein darauf, in einer lebendigen göttlichen Seele zu ruhen, die sich in Freude und Mitgefühl und Liebe in dieser Welt erfüllt, weshalb es ein fließender Stolz ist, kein seiender.

Aller Schmerz in dieser Welt kommt vom Besitzen her. Und das gilt auch für das Charisma. Wenn wir versuchen, jemand zu sein, werden wir zwangsläufig immer jemand anders. Nur dann, wenn wir erkennen, dass das, was uns vollkommen und einzigartig macht, von Gott gekommen ist und von Gott lebendig gemacht wird, kann es uns mit jener trunkenen Freude und jener trunkenen Liebe zu allem Lebendigen erfüllen, dass wir frei von Schuld demütig sein können, denn wir schulden Gott nichts, Gott verschenkt sich ohne zu verlangen.

Und so tun auch wir es! Dieses großartige Geschenk in uns auszubauen und in die Welt zu tragen, ist unsere Unterstützung der Arbeit Gottes, dass wir seine Gaben mit noch mehr Leben füllen, und so erkennen wir die größte aller Gaben, die uns mitgegeben wurden: Dass wir Anteil haben an der Schöpfung selbst, denn wir spüren, wenn wir so tun, dass WIR es sind, dass WIR es leben, dass WIR genau da mitten drin sind, und das bedeutet, wir sind in Gott.

Es spielt keine Rolle, ob du an Gott glaubst oder nicht, um diesen Gedanken zu folgen. Es ist bedeutungslos, welcher Religion du zugehörig bist, ob du ein spiritueller Freigeist sein möchtest oder den atheistischen Gedanken liebst, denn wenn du mir bis hierhin gefolgt bist, hast du gesehen, dass es etwas in dir gibt, das nicht von hier stammt, dass ein großartiges Spiel mit Myriaden von Möglichkeiten etwas geschaffen hat, das leicht und einzigartig ist und das dir einen Platz gezeigt hat für und in dieser Welt.

Es ist große Schönheit in diesem Gedanken, denn er macht uns frei, und was uns frei macht, ist immer wahr. Er zeigt uns, dass wir keinen Besitz brauchen, denn das Wertvollste, was unser Eigen ist, ist nicht von besitzender Natur, sondern von geschenkter. Eine große Gnade wurde jedem Einzelnen von uns zuteil, und ich bin davon überzeugt, dass die Einsicht in diese Gnade die Welt heilen kann, denn die Welt ist krank, weil wir besitzen wollen, und der Gedanke an Besitz ist nicht vereinbar mit dem Gedanken an Charisma, er ist bestenfalls ebenfalls als Geschenk vereinbar, und dann erkennen wir, dass er sich einfügen muss in unser Charisma, sonst ist er nicht von Wert.

Mit etwas Mut können wir den Blick abwenden vom Besitz hin auf das Charisma und woher es kommt, und dann erkennen wir die Gnade, und wenn wir die Gnade erkannt haben, werden wir umgehend glücklich und wenn wir glücklich geworden sind, erfüllt uns das Mitgefühl gleich einem strömenden Fluss der Liebe, denn daraus wird es geboren, aus der Liebe, die uns eigen ist, die die größte Kraft in unserem Charisma ist und die selbst göttlicher Natur ist, denn so wurde auch sie uns mitgegeben und gehört uns nicht und darf deshalb frei fließen.

Amen.
Der größte Hochmut oder der größte Kleinmut
ist die größte Unkenntnis seiner selbst.
Baruch de Spinoza

Manche Hähne glauben,
daß die Sonne ihretwegen
aufgeht.
Theodor Fontane
Unvermögend ist nicht, wer wenig hat,
sondern wer wenig vermag.
J. Matthias Hesse
Es scheint, dass die Natur, welche die Organe unseres Körpers so weise
zu unserem Glück eingerichtet hat, uns auch den Hochmut gegeben hat,
um uns den Schmerz der Erkenntnis unserer Unvollkommenheit zu ersparen.
François de La Rochefoucauld