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Kleine Erde

Kleine Erde!
Kleine Werde!
Bist vielleicht ein Dutzendball! 
Unerschöpflich ist das All.
Bist vielleicht kein sondrer Himmel 
im Gewimmel
der Myriaden,
bloß ein Himmelchen und Höllchen, 
bloß ein spärlich Nebenröllchen, 
Boden zwar für Gottaufgänge,aber selbst voll Not und Enge.
Und doch, doch,
du karge Scholle,
dürftst du noch einmal mich laden, 
ja wohl viele Male noch! 
Du aus Mann und Weib geballte, 
gottesjunge, gottesalte!
Du - trotz aller Abseitsrolle – 
Göttin mit den Möglichkeiten 
allerletzter Tragischheiten, 
allerletzten Glücks und Leides, - 
Mutter und Geliebte ... Beides ...
Christian Mogenstern

Vom ewigen Leben



Ich singe das Lied des Lebens,
wie Tausende vor mir
und Tausende nach mir.
Es ist eine Lüge zu sagen:
Leben ist Fluch,
den Tag zu verleumden
um seiner Nacht willen.
Wenn du einmal
aufgehoben wurdest
bis zum Gipfel der Liebe,
dann weißt du,
dass dort die Welt geheiligt liegt,
dass du dorther das große Ja
riefst, vergessend des geistigen Hochmuts,
dankbar wie das Tier,
wie die Pflanze,
lebend, liebend,
aufrecht, wie der Stamm,
der am Felsenhang noch,
ein Pfeiler, zum Lichte wächst.
Und sollt' ich es je,
zermürbt,
zerbrochen,
verfluchen, -
es war' eine Lüge.
Denn über allem Gram und Grauen
waltet unirrbar
ewiges Wachstum,
legionenweltig
auf jedem Geviertschuh
der aber und aber Legionen Welten.
Ich singe das Lied des Lebens
mit dem Vogel zu meinen Häupten,
und der Blume zu meinen Füßen
und dem Baum und dem Bach
und den Wolken und wehenden Winden, -
und es ist nicht mehr
als das Zirpen einer Grille, -
aber wir sollten es alle singen,
Millionen Menschen, Brüder und Schwestern,
an jedem Morgen,
dem Lichte zugewandt,
mit einer Seele,
unirrbar,
wie die Tanne,
die noch am Felsenhang,
kerzengerad,
zum Himmel emporwächst.

Christian Morgenstern

"Der Wissende" von Christian Morgenstern




Wer einmal frei
vom großen Wahn
ins leere Aug
der Sphinx geblickt,
vergißt den Ernst
des Irdischen
aus Überernst
und lächelt nur.

Ein Spiel bedünkt
ihn nun die Welt,
ein Spiel er selbst
und all sein Tun.
Wohl läßt er's nicht
und spielt es fort
und treibt es zart
und klug und kühn –
doch lüftet ihr
die Maske ihm:
er blickt euch an
und lächelt nur.

Wer einmal frei
vom großen Wahn
ins leere Aug
der Sphinx geblickt,
verachtet stumm
der Erde Weh,
der Erde Lust,
und lächelt nur.

Christian Morgenstern
Du Weisheit meines höhern Ich,
die über mir den Fittich spreitet
und mich vom Anfang her geleitet,
wie es am besten war für mich, –

Wenn Unmut oft mich anfocht: nun –
Es war der Unmut eines Knaben!
Des Mannes reife Blicke haben
die Kraft, voll Dank auf Dir zu ruhn.

Christan Morgenstern
So lange wir nicht ruhevoll-gelassen
vermögen, Glück wie Unglück zu ertragen.
So lange werden wir die Welt nicht fassen.

Wir müssen ohne Lieben, ohne Hassen
so Leid und Lust nach ihrem Sinne fragen.
Nur so wird Sinnentrug zu Schein verblassen
erst dann vermag uns Gott Sein Wort zu sagen.

Christian Morgenstern
"Wie ist jede – aber auch jede – Sprache schön,
wenn in ihr nicht nur geschwätzt, sondern gesagt wird!"
Christian Morgenstern (1871-1914)
Ich liebe dich, du Seele, die da irrt
im Tal des Lebens nach dem rechten Glücke,
ich lieb dich, die manch ein Wahn verwirrt,
der manch ein Traum zerbrach in Staub und Stücke.

Ich liebe deine armen wunden Schwingen,
die ungestoßen in mir möchten wohnen;
ich möchte dich mit Güte ganz durchdringen,
ich möchte dich in allen Tiefen schonen.
Christian Morgenstern
Sieh, das ist Lebenskunst:
Vom schweren Wahn des Lebens sich befrein,
fein hinzulächeln übers große Muß.
Christian Morgenstern
Leis auf zarten Füßen naht es,
vor dem Schlafen wie ein Fächeln:
Horch, o Seele, meines Rates,
laß dir Glück und Tröstung lächeln -:
Die in Liebe dir verbunden,
werden immer um dich bleiben,
werden klein und große Runden
treugesellt mit dir beschreiben.
Und sie werden an dir bauen,
unverwandt, wie du an ihnen, -
und, erwacht zu Einem Schauen,
werdet ihr wetteifernd dienen!

Christian Morgenstern
Nur wer den Menschen liebt, wird ihn verstehen.
Wer ihn verachtet, wird ihn nicht einmal sehen.
Christian Morgenstern

Sieh, das ist Lebenskunst:
Vom schweren Wahn des Lebens sich befrein,
fein hinzulächeln übers große Muß.
Christian Morgenstern
Nachts im Wald
Bist du nie des Nachts durch den Wald gegangen,
wo du deinen eigenen Fuß nicht sahst?
Doch ein Wissen überwand dein Bangen:
Dich führt der Weg.
Hält dich Leid und Trübsal nie umfangen,
daß du zitterst, welchem Ziel du nahst?
Doch ein Wissen übermannt dein Bangen:
Dich führt dein Weg.

Christian Morgenstern
Dein Wunsch, nicht mehr zu leiden,
ach, schafft nur neues Leid.
So wirst du niemals scheiden
von deinem Trauerkleid.

Du musst es ganz abtragen,
bis auf das letzte Haar,
und einst nur dessen klagen:
dass es nicht dichter war.

Ganz nackend musst du werden
zuletzt, weil es zerfallt
in seinen Stoff aus Erden
von deines Geists Gewalt.

Ganz nackend einst entschreiten,
allein von Licht umfacht,
zu neuen Ort' und Zeiten,
zu neuer Trauertracht - -

Bis du, aus hundert Larven,
ein Gott, so stark, entspringst,
dass du zu Sphärenharfen
die eigne Schöpfung singst.

Christian Morgenstern
Wieviel Schönes ist auf Erden
Unscheinbar verstreut;
Möcht ich immer mehr des inne werden:
Wieviel Schönheit, die den Taglärm scheut,
In bescheidnen alt und jungen Herzen!
Ist es auch ein Duft von Blumen nur,
Macht es holder doch der Erde Flur,
wie ein Lächeln unter vielen Schmerzen.

                                                          Christian Morgenstern
Wieviel Schönes ist auf Erden
Unscheinbar verstreut;
Möcht ich immer mehr des inne werden:
Wieviel Schönheit, die den Taglärm scheut,
In bescheidnen alt und jungen Herzen!
Ist es auch ein Duft von Blumen nur,
Macht es holder doch der Erde Flur,
wie ein Lächeln unter vielen Schmerzen.

Christian Morgenstern

Korf erfindet Schuhe, welche schweben
Und den Menschen, der sie anzieht, heben.
Daß er staubge Wege nicht beschreitet,
Nein, in zartem Abstand übergleitet.

Anstoß meidend wird der Dauergleiter
Friedlicher und kompromißbereiter.
Ohne Zweifel: dieser neue Gleitschuh
Ist der längstersehnte Geist-der-Zeit-Schuh!

Wer sie trug zwölf Stunden ohne Schnaufen
Hat noch keine Sohlen abgelaufen,
Und am Abend schweben von allein
Sie wie Tauben in den Schuhschlag ein.


Christian Morgenstern
Korf erfindet Seelenbügeleisen,
Welche, wenn wer wen bestrichen hat,
Ist man glatt.
Nicht nur außen auf der Faltenstirne,
Nein auch innen im geheimsten Hirne
Fühlt man sich entspannt und wohlig matt.
Solche Eisen weiß Korf zu empfehlen
Allen noch nicht knitterfreien Seelen.
Christian Morgenstern
Erde, die uns dies gebracht,
Sonne, die es reif gemacht:
Liebe Sonne, liebe Erde,
Euer nie vergessen werde.
Christian Morgenstern